Fragen zu Befunden
Wie zuverlässig ist die Diagnose?
Jede histopathologische Diagnose ist das Resultat der Wahrnehmung von Veränderungen im Gewebe, der Bewertung dieser Veränderungen und der Interpretation des sich daraus ergebenden Urteils im Kontext anderer Informationen. Obwohl für jeden dieser Schritte gut validierte Kriterien vorliegen, bleiben sie letztlich subjektiv. Bei klar ausgeprägten Merkmalen gehen die Urteile nicht auseinander, doch bei geringfügigen Unterschieden kann dies der Fall sein, zum Beispiel bei der Bewertung, ob eine Veränderung noch symmetrisch oder schon asymmetrisch ist oder ob eine Struktur noch normal oder schon verschmälert oder verbreitert ist. Noch subjektiver und von der individuellen Erfahrung abhängig ist die Integration der verschiedenen Befunde zu einer Diagnose. Insofern müssen Diagnosen immer kritisch betrachtet werden.
Oft wird der Grad der Diagnosesicherheit im Befund wiedergegeben, zum Beispiel in Formulierungen wie „der Befund ist vereinbar mit der Diagnose“, „der Befund passt gut zur Diagnose“ oder „der Befund ist typisch für die Diagnose“. Genauere Angaben – wie zum Beispiel eine Prozentangabe der Diagnosesicherheit – sind nicht sinnvoll, da auch sie der subjektiven Einschätzung unterliegen und eine Genauigkeit vortäuschen, die nicht gegeben ist.
Die Diagnosesicherheit ist bei Nachweis körperfremder Elemente – wie von Pilzen oder Bakterien – am höchsten. Der fehlende Nachweis schließt eine Infektion durch Pilze oder Bakterien aber nicht aus; nur positive Befunde sind in solchen Fällen verlässlich. Bei Tumoren ist die Diagnosesicherheit in der Regel größer als bei entzündlichen Veränderungen. Allerdings werden Zweifel oft in Zusätzen versteckt, wie zum Beispiel in Begriffen wie „Dysplasie“ oder „Atypie“. Am Zentrum für Dermatopathologie gilt dagegen der Grundsatz, Zweifel an der Diagnose offen auszusprechen. Aber natürlich gibt es auch hier eine subjektive Grenze: wenn Restzweifel an der eigenen Diagnose bestehen, die aber so gering sind, dass man sie lieber nicht äußert, um nicht falsche therapeutische Entscheidungen heraufzubeschwören.
Die Sicherheit der Diagnose ist nicht nur von der jeweils vorliegenden Erkrankung abhängig, sondern auch von der Art der Biopsie. Je kleiner eine Biopsie ist, desto unsicherer wird die Diagnose. Im Einzelfall können in einem winzigen Gewebestück Veränderungen vorliegen, die eine klare Diagnose gestatten, doch in schwierigen Fällen ist die Diagnose bei größere Biopsien (z.B. Durchmesser von 4-6 mm anstatt von 1-2 mm) sicherer, da mehr diagnostische Kriterien beurteilbar sind. Der Grad der Diagnosesicherheit steigt auch mit den klinischen Angaben, die auf dem Begleitschein zur Biopsie gemacht werden (z.B. Bestandsdauer einer Erkrankung, Zahl und Verteilung der Hautveränderungen), und kann durch die Übermittlung klinischer Bilder erheblich gesteigert werden.
Wie schlimm ist die Diagnose „Melanom“?
Bei allen malignen Tumoren hängt die Prognose vom Entwicklungsstadium ab. Bei Hauttumoren ist sie in der Regel günstig, da die Läsionen aufgrund ihrer oberflächlichen Lage meist deutlich früher erkannt werden, als dies bei Tumoren innerer Organe der Fall ist, auf die man häufig erst durch Symptome wie zum Beispiel Blutungen aufmerksam wird.
Das Melanom lässt sich besonders früh erkennen, da es nicht nur oberflächlich gelegen ist, sondern durch die Pigmentbildung auf sich aufmerksam macht. Die Prognose ist von vielen Einflüssen abhängig. Zur groben Abschätzung eignet sich besonders die histopathologisch gemessene maximale Tumordicke (von der Hautoberfläche zum am tiefsten gelegenen Punkt unter Nichtberücksichtigung der Hornschicht). Insbesondere bei Melanomen mit einer Dicke unter 1 mm ist die Prognose exzellent, aber auch bei deutlich dickeren Melanomen lässt sich durch die einfache Exzision in der Regel eine dauerhafte Heilung erzielen.
Die Zukunft ist allerdings nicht zuverlässig vorhersagbar. Im Einzelfall können auch dünne Melanome zu Metastasen und zum Tode führen. Versuche, die Prognose durch Erfassung zusätzlicher Tumorparameter genauer zu berechnen, sind vielfach angestellt worden, doch im Ergebnis höchst unzuverlässig, da sich ein Tumor vom anderen unterscheidet und zudem die Immunantwort, die eine wesentliche Rolle spielt, bei solchen Untersuchungen ausgeblendet wird.
Mit anderen Worten birgt jedes Melanom ein gewisses Risiko. Das gilt aber für alle Lebenslagen. Selbst man keinen maligner Tumor hat, der einem bekannt wäre, könnte man daran sterben, denn er könnte ja unentdeckt sein. Insofern sollte einen die Feststellung eines Melanoms insbesondere bei einer geringen Tumordicke nicht beunruhigen. Die vollständige Entfernung reicht in der Regel aus. Wir sind ja auch nicht beunruhigt, wenn wir die Straße überqueren, obwohl das nicht ganz risikolos ist.
Wie schlimm ist die Diagnose „dysplastischer Naevus“?
Die Diagnose eines „dysplastischen Naevus“ ist überhaupt nicht schlimm, denn der Naevus ist gutartig. Der Begriff „Dysplasie“, der ursprünglich eine embyronale Fehlanlage bezeichnete, aber in der Pathologie auch häufig für beginnende maligne Veränderungen verwendet wird, wurde für melanozytäre Naevi eingeführt, als sich das Konzept des Melanoms in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts veränderte. Bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein glaubte man, das Melanom beginne als knotiger Tumor, und erkannte erst allmählich die flachen Frühstadien. Als man begann, Melanome schon im Frühstadium zu biopsieren, beeinflusste dies auch die Biopsiegewohnheiten bei melanozytären Naevi, die die wichtigste Differenzialdiagnose darstellen. Zuvor hatte man vor allem knotige Naevi biopsiert, die auch als „gewöhnlicher Naevus“ („common nevus“) bezeichnet wurden. Als man flache Naevi biopsierte, stellte man Veränderungen fest, die die knotigen Naevi nicht aufwiesen, wie zum Beispiel zahlreiche Melanozyten an der Grenze zwischen Epidermis und Dermis. Da diese Veränderungen anfangs ungewohnt waren und zudem vor allem flache Naevi biopsiert wurden, die klinisch schwer von Melanomen abzugrenzen waren, glaubte man, einen „Vorläufer“ des Melanoms entdeckt zu haben. Später wurde festgestellt, dass auch die unauffälligsten flachen Naevi histopathologische Veränderungen aufwiesen, wie sie für „dysplastische Naevi“ beschrieben worden waren. Um dem Begriff des „dysplastischen Naevus“ die Konnotation der Gefährlichkeit zu nehmen, wurde für ihn nach seinem Erstbeschreiber der Begriff „Clark-Naevus“ eingeführt. Der Clark-Naevus ist der mit Abstand häufigste melanozytäre Naevus und, wie gesagt, völlig harmlos.
Allerdings kann es im Einzelfall schwer sein, Clark-Naevi von initialen Melanomen abzugrenzen (wie dies auch für andere Typen von Naevi gilt). Viele Pathologen verwenden den Begriff „Dysplasie“ nur dann, wenn sie sich der Diagnose nicht hinreichend sicher sind. Am Zentrum für Dermatopathologie Freiburg werden Zweifel in solchen Fällen nicht hinter einem schlecht definierten Terminus versteckt, sondern offen ausgesprochen. Zusatzuntersuchungen (wie zusätzliche Schnitte oder die Immunhistochemie) dienen dann dem Zweck, die Diagnose zu erhärten. Wenn ein Pigmentzelltumor als Naevus eingeordnet wird, aber trotz der Zusatzuntersuchungen Zweifel an seiner Gutartigkeit bestehen bleiben, sollte er sicherheitshalber vollständig entfernt werden. Im Befundbericht wird darauf hingewiesen.
Wie schlimm ist die Diagnose „Karzinom“?
Karzinome sind maligne Tumoren, die von Epithelzellen ihren Ausgang nehmen, das heißt vom Oberflächenepithel, vom Drüsenepithel (z.B. Schweißdrüse, Talgdrüse, Brustdrüse) oder von Deckepithelien innerer Organe. Einmal aus einer Ursprungszelle hervorgegangen, können sich Karzinome unterschiedliche differenzieren, so dass es viele verschiedene Formen gibt, die sich in ihrem klinischen und histopathologischen Erscheinungsbild und ihrem biologischen Verhalten stark unterscheiden.
Die häufigsten Karzinome der Haut sind Plattenepithelkarzinome und Basalzellkarzinome. Beide können aufgrund ihrer oberflächlichen Lage früh erkannt werden, wachsen langsam und weisen eine exzellente Prognose auf. Dies gilt insbesondere für Basalzellkarzinome, die praktisch nie metastasieren, so dass sie von manchen Pathologen nicht als Karzinom eingestuft werden. Wenn man unter Malignität jedoch die Fähigkeit versteht, durch destruierendes und/oder metastasierendes Wachstum zum Tode zu führen, werden diese Kriterien auch vom Basalzellkarzinom erfüllt.
Da Karzinome immer früher erkannt und entfernt werden, sind sie zum Zeitpunkt der Entfernung meistens noch harmlos. Von Epidemiologen wurde daher in letzter Zeit gefordert, sie in diesem Stadium nicht als „Karzinom“ zu bezeichnen. Andererseits muss man biologischen Entitäten Rechnung tragen. Als epithelialer Tumor beginnt ein Karzinom im Epithel, und wie alles beginnt er klein. Auch die kleinsten Karzinome sind Karzinome, ebenso wie ein Neugeborenes ein Mensch ist, auch wenn es noch nicht über die Fähigkeiten eines Erwachsenen verfügt.
Die meisten Karzinome sind für den Betroffenen lästig, aber ungefährlich. Lästig, weil sie einen zum Arzt führen und ggfs. eine medikamentöse oder operative Therapie erforderlich machen; ungefährlich, weil ein tödlicher Ausgang bei immunkompetenten Personen eine Rarität ist. Dies gilt auch für Plattenepithelkarzinome, solange sie nicht zu groß sind; es gilt umso mehr für deren intraepitheliale Frühstadien, die auch als „Carcinoma in situ“, „Morbus Bowen“ oder „solare Keratose“ bezeichnet werden. Wegen ihrer Wachstumstendenz sollten diese Tumore behandelt werden. Kleine Tumorreste bilden sich aber unter dem Einfluss des Immunsystems häufig spontan zurück. Die Beobachtung solcher Läsionen ist daher eine absolut vertretbare Alternative.
Wie schlimm ist die Diagnose „Mycosis fungoides“?
Die Mycosis fungoides ist ein kutanes Lymphom, das von sogenannten T-Lymphozyten abstammt. Letztere sind im Körper zirkulierende Abwehrzellen, die für die Erkennung von Fremdsubstanzen wichtig sind. Bei entsprechendem Antigenkontakt vermehren sie sich und leiten eine Immunreaktion ein. Bei der Mycosis fungoides hat sich dieser Mechanismus – wie bei allen malignen Lymphomen – verselbständigt, so dass die Zellen auch ohne externe Stimulation proliferieren. Ihre Wachstumskontrolle ist gestört und sie können sich ungebremst vermehren. Allerdings sind sie weiter von äußeren Einflüssen abhängig, und die Vermehrung erfolgt sehr langsam. Zudem halten die mit der Fähigkeit zur Zirkulation versehenen Zellen sich oft ausschließlich in Gebieten auf, in denen sie Antigenkontakt gehabt haben, so dass die Hautveränderungen der Mycosis fungoides in der Regel jahrelang (und manchmal immer) auf umschriebene Körperregionen begrenzt sind.
Der Name „Mycosis fungoides“ stammt daher, dass bei der Erkrankung im Endstadium häufig kuppelförmige erhabene Tumore beobachtet werden, die die Erstbeschreiber an ein Pilz erinnerten. Dieses Stadium wird jedoch nur sehr selten erreicht. In der Regel zeigt die Erkrankung auf Jahrzehnte hinaus und nicht selten für immer lediglich mit flachen, leicht schuppenden Veränderungen, meist am seitlichen Stamm und an den Extremitäten. Diese sind seit langem bekannt, wurden aber wegen des langwierigen, harmlosen Verlaufes nicht dem Spektrum der Mycosis fungoides zugerechnet, sondern mit anderen Namen bezeichnet (u.a. „Parapsoriasis en plaques“). Inzwischen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sie eine Manifestation der Mycosis fungoides darstellen, und zwar die häufigste. Anhand neuer histopathologsicher Kriterien kann die Diagnose in diesem Stadium histopathologisch zuverlässig gestellt werden. Vor nicht allzu langer Zeit war dies noch nicht der Fall, und findet sich noch in Lehrbüchern der 90er Jahre die Angabe, nach „einwandfreier Diagnosesicherung“ betrüge die mittlere Überlebenszeit 5 Jahre. Von solchen Angaben darf man sich nicht verunsichern lassen, da die Diagnose heute in einem weit früheren Stadium gestellt und das Spätstadium selten erreicht wird. Bei flachen Veränderungen, die nicht mehr als zehn Prozent der Hautoberfläche betreffen, ist die Überlebenszeit nach neueren Studien im Vergleich zu gesunden Personen überhaupt nicht eingeschränkt.